Die Gründung des früheren "Frauenvereins zur Pflege der verschämten Armen und Kranken der Stadt Bad Oldesloe", die damals noch nicht offiziell "Bad" war, fand am 14. September 1874 statt. Die Entstehung des Vereins, der sich von Anfang an unter das Symbol des Roten Kreuzes stellte, hatte noch eine Vorgeschichte. Es bildete sich nämlich schon im Kriege 1870 - 1871 ein Frauenverein, der Verwundete und das Örtliche Militärlazarett unterstützen wollte. Doch der Feldzug ging zu Ende, ehe die Mittel verbraucht waren. Neben den 23 Toten des Kirchspiels gab es nur wenig Invaliden, die man hätte unterstützen können. Daher wurde beschlossen, den Rest des Geldes an Kranke und verschämte Arme zu verteilen. Und bei diesem mildtätigen Wirken reifte in den Oldesloern damals der Wunsch, den neuen Verein ins Leben zu rufen, zehn Jahre, nachdem Henri Dunant 1864 die Genfer Konvention des Roten Kreuzes herbeigeführt hatte.
Im Oldesloer Landboten vom 14.09.1874 wurde ein Aufruf veröffentlicht, den wir im Folgenden in der damals gebräuchlichen Rechtschreibung wörtlich wiedergeben:
Aufruf des Frauenvereins
In den letzten Jahren ist die Pflicht, den notleidenden Nächsten zu helfen, der Menschheit immer mehr bewusst geworden, und die dienende Liebe hat die schönsten Früchte getragen und die herrlichsten Erfolge erzielt. Die verschämten Armen erhalten nicht bloß eine materielle Unterstützung, sondern es wird in ihnen das Gefühl erwirkt, dass sie nicht so allein und verlassen sind, wie sie glauben; den Kranken wird, wo möglich, zur Genesung geholfen und ihre Leiden tunlichst gelindert, so dass sie in der persönlichen Handreichung zugleich das Bewusstsein haben, dass ihrer in christlicher Liebe fort und fort gedacht wird; und die armen Säuglinge, um welche der Vater sich vielleicht gar nicht kümmert, von welchen die Mutter weit entfernt ist, genießen den Segen wahrer Kinderliebe von Unbekannten.
Mag mitunter eine Gabe schlecht belohnt werden, mag oft der rechte Dank fehlen, mag auch zuweilen Unwürdigen etwas zuteilwerden; das darf uns nicht hindern, an unserem Teil zu tun, was Recht ist vor Gott und Menschen.
Nachdem nun eine Versammlung von einigen Herren am 9. ds. Mts. Statuten zur Vorlage beraten hat, sind diese in einer öffentlichen Versammlung am 14. ds. Mts. in der Badeanstalt mit einigen unwesentlichen Veränderungen angenommen worden. Diese Versammlung war besucht von 23 Damen und 3 Herren, welche letztere bei der Konstituierung behilflich sein wollten. Wenn auch eine größere Versammlung erwünscht gewesen wäre, so musste doch fraglich erscheinen, ob ein erneuter Aufruf besseren Erfolg haben werde. In dieser Erwägung haben die Anwesenden beschlossen, einen "Frauenverein zur Pflege der verschämten Armen und Kranken der Stadt Bad Oldesloe" zu konstituieren, und haben die unterzeichneten zu ihrem Vorstand gewählt. Die Statuten werden demnächst veröffentlicht werden.
So bitten denn wir darum, dass man uns mit vollem Vertrauen entgegenkomme, wie die Wählerinnen uns ihr Vertrauen geschenkt haben. Wir werden bestrebt sein, mit aller Kraft und Treue für die gute Sache zu wirken, die uns anvertraut ist.
Wir bitten die Bewohner und Bewohnerinnen unserer Stadt, auf die große Wichtigkeit der Sache zu sehen, die wir vorhaben; sie ist es wohl würdig, von Allen gefördert zu werden. Darum treten Sie ein in einen Verein, der so gerne alle guten Kräfte in sich vereinigen möchte. Treten Sie mit ein in die Bestrebungen, von welchen weder Fürsten noch Bürger sich zurückziehen dürfen.
Wir hoffen umso mehr auf eine allgemeine Beteiligung, als der geringste Beitrag alljährlich einen halben preußischen Taler beträgt. Wir bitten aber, dass, wenn es die Mittel erlauben, ein höherer Beitrag gezeichnet werde und mehrere Mitglieder desselben Hauses eintreten, die Damen als aktive, die Herren als soziale Mitglieder des Vereins. Da halbjährlich gesammelt werden soll, ermächtigen wir unsern Vereinsboten Clasen, sofort den halben Jahresbeitrag in Empfang zu nehmen.
Bad Oldesloe, den 17. September 1874